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Was sind die besonderen Eigenschaften des Kishinkai und was sind seine Vorteile?

Mir wird oft die Frage nach den besonderen Eigenschaften und Vorteilen des Kishinkai gestellt. Hier ein paar Antworten die ich einer Liste hinzufüge, die weder vollständig, noch feststehend ist.

Zwei Prinzipien im Herzen der Praxis: Musubi (結び)und Awase(合わせ)

Diese zwei Prinzipien sind allgegenwärtig im Kishinkai, Musubi und Awase. Obgleich diese beiden Begriffe oft und in unterschiedlichen Aikidoschulen benutzt werden, gibt es leichte Unterschiede in ihren Interpretationen. Awase bedeutet vereinen oder harmonisieren. Im Kishinkai bedeutet das, sich an die Situation anzupassen. Das kann sich in einer externen Harmonisation ausdrücken, wie sich selbst in die selbe Richtung auszurichten wie der Partner, aber nicht ausschließlich. Tatsächlich ist ein sehr durchdringender Eingang (Irimi) bei dem man Einfluss auf Aite (den “Anderen”) nimmt, am effektivsten wenn man ihn gut wahrnehmen kann. So kann die Bewegung direkt sein, ohne dass man gegen den Anderen stößt. Musubi bedeutet binden, verknüpfen. Im Kishinkai hängt das mit der Fähigkeit zusammen, sich mit Aite zu verbinden. Es ist also das unsichtbare Gegenstück zu Awase. Es manifestiert sich beispielsweise in der Fähigkeit einen in der Bewegung hergestellten Kontakt nicht zu verändern, damit sich der Andere nicht über unser Handeln im Klaren ist, bis zu einem Punkt an dem er keine effektive Reaktion mehr ausführen kann.

Foto von Johann Vayriot

Die Konstante Geschwindigkeit

Die Technik sollte in einer konstanten Geschwindigkeit ausgeführt werden, ohne zu beschleunigen, oder ruckartig zu bewegen. Das erlaubt genau wie Musubi, Ukes Wahrnehmung über unser Handeln einzugrenzen, wie auch seine Möglichkeit zu reagieren. Die konstante Geschwindigkeit kann der der Attacke angepasst sein, oder im Gegenteil langsamer oder schneller sein, je nach Situation. Sie ist oft nicht an die der Attacke angepasst, wenn es sich um einen Griff handelt.

 

Foto von Shizuka Tamaki

Die ständige Disponibilität

Zanshin (残心) ist eine Art ständige Wachsamkeit. Sie erlaubt einem seine Umwelt wahrzunehmen und sich auf die bestmögliche Art ihrer anzupassen. Dazu muss der Körper entspannt sein, ohne schlaff zu sein, fähig sich sofort und ohne Unterbrechung zu bewegen. Diese physische und mentale Disponibilität drückt sich nicht in einer karikaturistischen Haltung eines “kleinen Samurai” aus, sondern in einer ruhigen und wachen Haltung.

Foto von Shizuka Tamaki

Sanftheit des Griffs

Fälschlicherweise denkt man oft, dass ein starker Griff ein effektiver Angriff ist. Unglücklicherweise ist das offensichtlich nicht der Fall, sobald man sich jemandem mit ein klein bisschen Erfahrung gegenübersieht. Je stärker der Griff, desto angespannter der Körper, desto weniger kann man fühlen was der Andere tut und desto weniger kann man Gegenmaßnahmen ergreifen. Außerdem provoziert ein starker Griff eine defensive Reaktion der anderen Person, welche sich angegriffen fühlt. Im Kishinkai sind die Griffe deshalb leicht, um ihre Effektivität zu erhöhen. Auch greifen wir auf die gleiche Weise, ob wir eine Person, ein Schwert oder einen Stock greifen. Das erlaubt uns sensibler, schneller und somit effektiver zu sein.

Abwesenheit von Anspannung

Obwohl es offensichtlich möglich ist jemanden durch pure Kraft zu beherrschen, birgt diese Art der Praxis in sich einige Schwierigkeiten. Eine angegriffene Person wehrt sich für gewöhnlich stark gegen den Angriff den man ihr aufzwingen will, und ist dadurch umso schwieriger zu kontrollieren. Das Ziel im Kishinkai ist durch Nicht-Widerstehen zu kontrollieren, durch Sanftheit und Entspannung. Der Angriff wird absorbiert und ohne Gewalt oder Anspannung, ab- oder gegen Aite zurückgelenkt.

Ueshiba Morihei

Lesen der Intention

Davon ausgehend, dass unser Gegner größer, stärker und schneller ist als wir, ist es unerlässlich in seinen Handlungen zu lesen, um einen Vorteil aus ihnen zu ziehen und sie nicht erdulden zu müssen. Deshalb wird im Kishinkai die Wahrnehmung sehr stark betont und vor allem das Lesen der Intention.

Foto von Rudy Lamy

Leichtigkeit in der Bewegung

Ein Punkt der viele, auch erfahrene Übende anspricht wenn sie im Kishinkai anfangen, ist die Freiheit in der Bewegung seiner Schüler. Diese Freiheit ist das Resultat der Schwerpunktsetzung auf einen leichten Kontakt mit dem Boden. Der Körper sollte leicht sein, mit einem Gefühl des Schwebens. Von seinen Verankerungen befreit erlangt er eine erstaunliche Disponibilität, eine Geschwindigkeit und Effizienz.

Foto von Rudy Lamy

Entspannung

Die Entspannung ist in den meisten Aikidoschulen ein Basisprinzip. Dennoch ist sie sehr schwer zu beschreiben und umso schwieriger in der Praxis umzusetzen. Der Stress des Alltags ist oft die Ursache für Nervosität und Anspannung. Diese Spannung kann sich noch steigern, wenn wir angegriffen werden, selbst im Rahmen des Dojos. Durch eine progressive Herangehensweise, erlaubt der Kishinkai es seinen Schülern sich in intensiven und stressigen Situationen zu entspannen. Diese körperliche und geistige Entspannung überträgt sich auf das alltägliche Leben, und erlaubt den Schülern sich gegen den Stress des Lebens zu wehren, wie gegen einen physischen Angriff.

Foto von Johann Vayriot

Von allen physischen Eigenschaften ist die Entspannung die wichtigste.” – Léo Tamaki

Warum Kishinkai Aikido praktizieren?

Der Kishinkai erlaubt es den Körper und den Geist zusammenzubringen. Als Quelle der Gesundheit erlaubt seine Praxis Verspannungen zu lösen, die Konzentration zu steigern und Geschmeidigkeit, Intuition und muskulären Tonus zu entwickeln. Durch das Erlangen von Effizienz und Selbstvertrauen lernt der Schüler in Harmonie mit seiner Umwelt und sich selbst zu leben. Kishinkai kann in jedem Alter praktiziert werden und es ist möglich die Praxis an die meisten gesundheitlichen Einschränkungen anzupassen.

Foto von Rudy Lamy

 

Originalartikel „Les spécifités de l’école Kishinkai“ von Arnaud Lejeune

Freie Übersetzung von Peter Schenke mit Erlaubnis